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Forschungsbereiche und -projekte


Kennzeichnung des INUR

Das INUR vernetzt die rechtswissenschaftlichen Forschungen der Fakultät zum Unternehmensrecht mit Bezug zu Nachhaltigkeit. Die Forschungsfelder des INUR umfassen insbesondere:

  • Unternehmensberichterstattung und Prüfung (Reporting and Auditing).
  • Unternehmensführung und Haftung (Corporate Governance and Responsibility).
  • Unternehmensbesteuerung (Tax).

Zu allen Forschungsfeldern arbeiten wir in einem breiten Forschungsnetzwerk mit KollegInnen aus anderen Fachbereichen und Universitäten zusammen. Wir sind außerdem im intensiven Dialog mit der Praxis (Praxisnetzwerk). 


 


Forschungsfragen und -projekte


Bekämpfung von Greenwashing

Um die Unternehmen anzuhalten, sich des Themas Nachhaltigkeit ernsthaft anzunehmen und die politisch gewollte "grüne Transformation" mitzugestalten, normiert der Gesetzgeber u.a. Berichtspflichten. Unternehmen müssen über ESG-Aspekte berichten und dabei ihre Konzepte und Umsetzungsschritte offenlegen. Dazu hat die EU eine neue Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) mit einem deutlich erweiterten Anwendungsbereich vorgestellt. Ähnliche Berichtspflichten gelten für Finanzintermediäre (insbes. Finanzberater) und Finanzprodukte auf der Grundlage der Offenlegungs-VO (Sustainable Finance Disclosure Regulation).

Bei all diesen nachhaltigkeitsbezogenen Berichtspflichten ist das sog. Greenwashing ein Problem: Unternehmen stellen sich möglicherweise in ihren Nachhaltigkeitsberichten "grüner" dar als sie tatsächlich sind, Finanzberater bewerben möglicherweise "grüne" Finanzprodukte, in denen nicht so viele "grüne Anlagen" enthalten sind wie suggeriert. 

Vor diesem Hintergrund stellen sich wichtige und spannende Forschungsfragen:

  • Was ist Greenwashing genau, wie und warum entsteht es? Wie kann es gemessen werden? Warum sind ESG-Ratings so uneinheitlich? Lassen sich die sehr heterogenen Aspekte E-S-G überhaupt sinnvoll in einer einzigen ESG-Rating-Kennzahl abbilden? Wie kann die Vergleichbarkeit von ESG-Ratings verbessert werden? Ist eine höhere Korrelation von ESG-Ratings überhaupt erstrebenswert und möglich? Welche Rolle spielen kulturelle Eigenheiten und Besonderheiten bei der Messung (z.B. der Arbeitnehmerzufriedenheit nach dem Kriterium der Fluktuationsquote Japan vs. USA; oder nach dem Kriterium Mitarbeiterbefragungen China vs. EU usw.)? Können und sollten kulturelle Besonderheiten eleminiert werden? 
  • Wie kann Greenwashing vorbeugend verhindert oder jedenfalls reduziert werden? Wie sollte es (nachsorgend) sanktioniert sein? Hier greifen, ähnlich wie bei anderen Bilanzskandalen und Compliance-Problemen, Fragen der verschiedenen Teildisziplinen des Unternehmensrechts ineinander:
    • Wie sollte das Corporate Governace System aufgestellt sein und ggf. nachgeschärft werden, um Greenwashing zu bekämpfen? Braucht es neue Berichtslinien und Prozesse, neue Experten, neue Gremien, neue Prüfungen?
    • Wie verhalten sich die neuen Europäischen Reporting Standards über Governance-Aspekte (z.B. European Sustainability Reporting Standard G1: Governance, risk management and internal control usw.; ESRS G's), die derzeit entwickelt werden, zum Gesellschaftsrecht? Sind Anpassungen im Gesellschaftsrecht notwendig oder empfehlenswert? Braucht es neben den ESRS G's künftig noch den Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK)? 
    • Haften Emittenten und Finanzberater für grüngefärbte Nachhaltigkeitsberichte? Welche Rolle spielen und welche Legitimation haben nicht-staatliche Standards (wie z.B. die GRI) bei der Entfaltung des Pflichtenkonons?
    • Wie ist die Rolle und Verantwortlichkeit der Abschlussprüfer in diesem Zusammenhang? Braucht es neue Prüfungspflichten und wer soll die Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten durchführen? Soll die Prüfung der Finanzberichterstattung und der Nachhaltigkeitsberichterstattung in einer Hand liegen (also beides vom Abschlussprüfer geprüft werden)? Empfiehlt sich ein Integrated Auditing, weil dies der Idee des Integrated Reporting und letztlich des Integrated Thinking am besten entspricht? Oder sollte regulatorisch mit Formen aufgeteilter Prüfungen (Shared Audits) experimentiert werden? Usw.

 

Klimaklagen

In jüngerer Zeit nehmen sog. Klimaklagen weltweit an Bedeutung zu. Verklagt werden Staaten (mit dem Argument, sie täten zu wenig, um die Klimakrise abzuwenden), vermehrt aber auch Unternehmensträger. Bei den Klagen gegen Unternehmensträger stehen bislang zwei Klagegründe im Vordergrund: "Damage to the environment" (z.B. Klagen einzelner Betroffener gegen Unternehmen, etwa der Schell-case in Den Haag und der RWE-Fall vor dem OLG Hamm) und "Sharholders's interest" bei Investitionen in sog. "stranded assets" (Enea-case in Polen u.ä. erfolgreiche Aktivitäten z.B. in Japan). Künftig könnten Klagen wegen Greenwashing (misleading information) hinzutreten. 

Sind solche Klagen auch nach deutschem Privatrecht denkbar? Welche Pflichten bestehen in Konzernen und entlang der Lieferkette? Wie kann und sollte das Corporate Governance System ausgestaltet sein, um vor Haftungsrisiken zu schützen? Wie ist auf erkennbare Fehlentwicklungen zu reagieren? Ist die Kausalität der Verursachungsbeiträge einzelner Unternehmensträger für die globale Klimakrise und daraus entstehende Einzelschäden messbar und juristisch relevant? Sind unternehmerische Aktivitäten rechtswidrig, wenn sie mit behördlichen Genehmigungen entfaltet werden? Wie tragfähig ist das "stranded asset"-Argument gegenüber dem unternehmerischen Ermessen und der Business Judgement Rule gem. § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG? U.v.a.m.

Hier bestehen zudem wieder Querverbindungen zum Reporting. Denn einerseits können Klimaklagen durch (fehlerhaftes) Sustainability Reporting möglicherweise zuästzlich befeuert werden. Andererseits sind Klimaklagen ein wesentliches Risiko, über das in der Finanzberichterstattung zu berichten ist und das von Kapitalgebern zunehmend berücksichtigt wird und damit auch die Finanzierungsbedingungen der Unternehmen beeinflussen kann.  

 

Dual Purpose Gesellschaftsrechtsformen und Rechtsformvarianten

Sustainable Corporate Governance lässt sich in allen Gesellschaftsformen umsetzen. Viel Unternehmen werden schon seit jeher auch mit Blick auf ESG-Aspekte geführt. Dennoch werden rechtspolitische Alternativen zum bestehenden numerus clausus der Gesellschaftsrechtsformen diskutiert: Braucht es neue Dual Purpose Gesellschaftsrechtsformen? Empfehlen sich staatlich sanktionierte neue "Labels" (wie es Frankreich mit der Entreprise à mission eingeführt hat)? Empfiehlt sich eine GmbH-Variante, bei der Ausschüttungen an die Gesellschafter untersagt sind (sog. GmbH mit gebundenem Vermögen, GmbH-gebV)? Wie kann schon de lage lata das Corporate Governance System der traditionellen Gesellschaftsrechtsformen mit Bezug auf Nachhaltigkeit modernisiert und nachgeschärft werden?

In diesem Zusammenhang bestehen außerdem Querverbindungen zum Stiftungsrecht. Das geltende Recht erlaubt recht großzügig unternehmenstragende Stiftungen. Dabei sind solche Gestaltungen teilweise nicht in das "normale" Unternehmensrecht eingebunden. Ist das sachgerecht? Sind unternehmenstragende Stiftungen eine rechtspolitisch schützenswerte Gestaltung? Welche Regeln des Unternehmensrechts sollten für unternehmenstragende Stiftungen anwendbar sein? Empfehlen sich insoweit weitere steuerliche Sondervorschriften? 

 

Green Taxation

Steuerrecht wird von der Politik vielfach für Lenkungszwecke eingesetzt. Insoweit liegt es nahe, dass das Steuerrecht bei der politisch gewollten "Green Transformation" ebenfalls zunehmen eine Rolle spielen wird. Steuerliche Berichtspflichten sind bereits etabliert (Country-by-country-Reporting) und werden voraussichtlich weiter ausgebaut werden. Aber auch der "Kernbereich" des Steuerrechts dürfte zukünftig "grüner" werden. Hier stellen sich ebenfalls viele spannende Forschungsfragen: Welche Rolle kann und sollte das Steuerrecht für die "Green Transformation" spielen? Empfehlen sich z.B. Paris-konforme Anreize beim Körperschaftsteuertarif oder bei der steuerlichen Bemessungsgrundlage? Sind die Kriterien für etwaige "grüne Steuervorschriften" hinreichend konkret und justiziabel? Wie passen sich etwaige neue Körperschaftsteuervorschriften in das deutsche System der dualen Unternehmensbesteuerung ein? Haben EU und BRD ein freies "Erfindungsrecht" für "grüne Steuern"? Wie grenzen sich Steuern und Abgaben ab? Usw. 

 

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